Mittwoch, 29. Januar 2014

Die Austen Abenteuer #5 - "Emma"


 Was sind die Austen Abenteuer?  Bitte hier nachlesen :)




"Emma Woodhouse, handsome, clever, and rich, with a comfortable home and happy disposition, seemed to unite some of the best blessings of existence; and had lived nearly twenty-one years in the world with very little to distress or vex her."

Der Roman beginnt mit einer Hochzeit - Emmas Gouvernante heiratet und Emma versucht nun den ersten Abend mit ihrem Vater so unterhaltsam und friedlich wie möglich zu gestalten. Gott sei Dank bekommen sie auch Besuch von Mr. Knightly, einem alter Freund der Familie und so ziemlich der Einzige, der Emma hin und wieder widerspricht.
Dieser sich ankündigende zurückgezogene Lebensstil entspricht so gar nicht Emmas Charakter und da sie keine junge Dame ist, die sich mit lesen oder Stickerei lang beschäftigen kann, verfolgt sie bald ein neues Projekt. Miss Harriet Smith wird zur Freundin gemacht und soll durch Emmas Einfluss kultivierter und attraktiver gemacht werden um schließlich als krönenden Abschluss möglichst vorteilhaft verheiratet zu werden. Emma biegt sich hier eine Welt zu ihrem großen Unterhaltungswert und erst als sie die Folgen ihres unüberlegten Handelns nicht mehr leugnen kann, beginnt bei ihr ein Prozess der Läuterung.

"She [Emma] would notice her [Harriet Smith]; she would improve her; she would detach her from her bad acquaintance, and introduce her into good society; she would form her opinions and her manners. It would be an interesting, and certainly a very kind undertaking; highly becoming her own situation in life, her leisure, and powers."

Emma - Fischer Verlag



Emma hat es als Einzige von Jane Austens Protagonistinnen auch auf den Titel geschafft und ist auch im Gegensatz zu ihren Kolleginnen als Einzige finanziell unabhängig - das heißt, schon ganz zu Beginn des Romans stellt Emma fest, dass Heiraten nichts für sie ist.

"The real evils, indeed, of Emma's situation were the power of having rather too much her own way, and a disposition to think a little too well of herself. […] The danger, however, was at present so unperceived, that they did not by any means rank as misfortunes with her." 

Der erste Eindruck von Emma ist der einer verwöhnten, sich selbst überschätzenden Göre, die aufgrund ihrer sozialen Stellung und ihres ungebremsten Charakters mehr Schaden anrichtet als man möglich meinen möchte. Dabei hat sie ein gutes Herz und einen klugen Kopf auf ihren wohlgeformten Schultern. Aber wie in allen Austen Romanen fehlt eine starke leitende Hand. Ihre Mutter ist früh gestorben, der Vater ist hauptsächlich mit mit seinem schwachen Gesundheit beschäftigt und ihre (ehemalige) Gouvernante ist ihr eine gute, aber allerhöchstens ebenbürtige Freundin. Allein Mr. Knightly, ein guter Freund der Familie und einige Jahre älter als Emma, schafft es hin und wieder etwas strenger mit ihr zu sein und versucht sie ein etwas besonneres Wesen zu verwandeln.
Natürlich entdeckt auch Emma bei sich erste Verdachtsmoment der Verliebteheit, aber erst nach einigen falschen Fährten und nicht spätestens nachdem sie ihre Freundin Harriet fast komplett ins Unglück gestürzt hat, merkt Emma wo ihr wahres Glück liegt.

“If I loved you less, I might be able to talk about it more.”

Emma ist sicher die leichtfüssigste in Jane Austens Frauenrunde. Durch ihre soziale Stellung hat sie mehr Freiheiten und das besondere an ihr ist auch, dass sie nicht durch ihre Verliebtheit eine Wandlung erfährt, sondern erst nach der Wandlung ihre Liebe erkennen kann. Durch ihr vermeintliches Spinnen von Heiratsglück für andere und die Fehler, die sie dabei macht, lernt sie mehr über sich selbst und ihre kleinen Schwächen. Die passiert eigentlich sehr selbständig mit nur leichten Richtungsweisern. Aber erst dann ist es ihr möglich zu erkennen, wem ihr Herz gehört. Neben dieser Erkenntnis hat Jane Austen aber hier alle möglichen Pärchenkonstellationen verarbeitet - jeder Topf bekommt sein Deckelchen beziehungsweise jedeR bekommt was er verdient. Man bekommt auch einen (für mich zumindest) überraschenden Einblick in die Liebesbriefe dieser Zeit. Da Briefe das einzige Mittel zur Kommunikation war, wurde offenbar jegliche noch so irrelevante Information dem meilenwert entfernten Liebhaber kundgetan. So steht eine geheime Liebesgeschichte fast auf der Kippe, weil der so liebevoll Adressierte davon weiß, dass einer der unzähligen Nachbarn sich doch eine neue Kutsche zulegen wollte. Da niemand, der mit ihm in offizieller Kommunikation stehenden ihm diese wertvolle Information gegeben haben kann, kommt es zu einem Geraschel und Geraune in der Gesellschaft und die heimlich Verliebten stehen kurz vor der Entdeckung.

 "Emma" ist neben "Stolz und Vorurteil" ein wunderbar fluffiger Einstieg in das Austen Universum und mir persönlich ist die etwas arg von sich überzeugte Emma sogar etwas lieber als die scharfzüngige Lizzy Bennet aus Stolz und Vorurteil.




Wunderbare Seite über Kleidung, Sitte etc. zur Lebenszeit von Jane Austen: Jane Austen's World

La Toilette, Boucher, 1742. Image@francoisboucher.org





“I am Emma Woodhouse. I feel for her, of her and in her. I have a different sort of snobbism, but I understand her snobbism. Her priggishness. I admire it. I know she does wrong things, she tries to organize other people's lives, she can't see Mr Knightley is a man in a million. She's temporarily silly, yet all the time one knows she's basically intelligent. Creative, determined to set the highest standards. A real human being.”
John Fowles, The Collector








Sonntag, 12. Januar 2014

"Gute Geister" von Kathryn Stockett




Mit einem unerklärlichem Südstaatentick ausgestattet und nachdem ich letztes Jahr mit großer Begeisterung "Gone with the Wind" gelesen habe, musste ich früher oder später natürlich auch "Gute Geister" (im engl. Original: "The Help") lesen.
"Vom Winde verweht" wird in "Gute Geister" öfters erwähnt - es ist quasi das Negativ von dem sich "Gute Geister" abheben will. Das "Vom Winde verweht" voller verklärender Romantik der eigenen Geschichte gegenüber ist, möchte ich  gar nicht bestreiten. Aber als aufmerksame Leserin wird einem der innwohnende Rassismus der damaligen Gesellschaft kaum entgehen. Es stimmt, dass Scarletts heißgeliebte "Mammy" nicht nach ihrer Meinung gefragt wurde; es ist kein Buch, dass die Sklaverei aus der Sicht der Betroffenen zeigt. Aber es zeigt die Täter (wenn auch von der Autorin ungewollt) sehr wohl; vielleicht nicht die offen brutalen Sklavenhalter, aber die "netten", die das System genauso mitgetragen und mitgestaltet haben. Kathryn Stockett will also nun in ihrem Buch den schwarzen Haushaltshilfen eine Stimme geben.

"And," I felt compelled to continue, "everyone knows how we white people feel, the glorified Mummy figure who dedicates her whole life to a white family. Margaret Mitchell covered that. But no one ever asked Mammy how she felt about it."
(Miss Skeeter zu Elaine Stein)



Die Geschichte spielt in Jackson, Missisippi in den Jahren der Bürgerrechtsbewegung. Schwarze müssen getrennte Toiletten, getrennte Eingänge und eigene Bibliothekten benützen. Schwarze Frauen arbeiten als Dienstmädchen für weiße Familien und ziehen ihre Kinder groß, dürfen aber nicht am selben Tisch essen wie ihre Arbeitgeber. Es wird aus drei Perspektiven erzählt -  da sind die schwarzen Haushaltshilfen Abileen und Minnie und "the white lady" Miss Skeeter. Miss Skeeter will Journalistin werden und nachdem sie in New York zu einem Verlag Kontakt aufnimmt, entsteht die Idee eine Sammlung von Interviews mit schwarzen Haushaltshilfen über ihr Leben und ihre Arbeit zu machen. Sie findet eine Verbündete in Abileen, doch die Arbeit an dem Buch gestaltet sich schwierig. Groß sind die Grenzen, die es zu überwinden gilt und groß sind auch die Gefahren.

Die Autorin des Buches, Kathryn Stockett, ist weiß und aus Missisippi. Man braucht das Nachwort im Buch eigentlich nicht lesen, um zu realisieren, dass sie sich mit der Figur von Miss Skeeter selbst beschreibt; aber das Nachwort hilft das Buch als das anzunehmen, was es sein will.
Denn die große Frage ist, inwieweit kann eine Weiße heute aus der Perspektive von schwarzen Angestellten in den 60ern schreiben? Wie weit kann man sich wirklich in eine Situation versetzen, die man selbst nie erlebt hat und so auch hoffentlich nie erleben wird? Wie kann man die Stimme der Opfer annehmen, wenn man eigentlich zu den Tätern gehört? In einem Abschnitt des Buches heißt es:

"White people been representing colored opinions since the beginning a time."

Passiert das nicht auch hier? Darf man das? Ich habe dazu noch immer keine abgeschlossene Meinung... Denke ich (zum Beispiel), dass eine weibliche Autorin nicht aus der Perspektive eines männlichen Protagonisten schreiben darf? Eigentlich nicht. Denke ich, dass ein Mann einen feministischen Roman aus der Sicht einer Frau schreiben kann? Vielleicht, aber ich stelle es mir schwierig vor. Möchte ich, dass fiktiver Literatur Fesseln einer bestimmten Perspektive auferlegt wird? Sicher nicht! Wäre es besser gewesen Kathryn Stockett hätte von Abileen und Minnie aus der Perspektive von Miss Skeeter erzählt? Ich weiß es nicht. Kathryn Stockett selbst schreibt, dass sie selbst nicht rechtzeitig daran gedacht hat ihre "Mammy" Demetrie nach ihrer Meinung zu fragen und dass sie mit ihrem Buch eine Annäherung, ein Verstehen versucht:

"What I'm sure about is this: I don't presume  to think that I know what it really felt to be a black woman in Mississippi, especially in the 1960s. I don't think it is something any white woman on the other end of a black woman's paycheck could ever truly understand. But trying to understand is vital to our humanity."
(Kathryn Stockett im Nachwort zu "The Help")

Abgesehen davon liest sich das Buch schnell und man fühlt mit Abileen, Minnie und Miss Skeeter. Die Charaktere selbst sind etwas flach, wie von der Stange. Man hat die gutherzige Abileen und die zornige Minnie. Es sind also die grundsätzlich möglichen/vorstellbaren Gefühlswelten abgedeckt. Von den anderen interviewten Haushaltshilfen erfährt man wenig. Einen etwas größeren Auftritt bekommt noch Gretchen, die Miss Skeeter vorwirft, dass sie nur eine weitere Weiße ist, die von den Schwarzen profitieren will. Die weinerliche Verletztheit von Miss Skeeter und die Empörung von Abileen nach Gretchens Auftritt, sind allerdings etwas schwer verdaulich.
Im englischen Original haben Abileen und Minnie einen augeprägten Dialekt, während alle Weißen perfektes Englisch sprechen. Ein Detail, dass sicher zur "Authentizität" beitragen soll, aber zumindest bei Miss Celia etwas ins Stolpern gerät - Miss Celia wird als "white trash" mit einem tiefen Südstaaten Slang beschrieben - in der direkten Rede jedoch merkt man davon bei ihr aber nichts.
Miss Skeeter ist wahrscheinlich der am besten ausgearbeitete Charakter, was aufgrund der autobiographischen Züge nicht verwundert. An ihr wird auch deutlich gezeigt, wie leicht sie Teil dieses Systems werden hätte können und dass uns oft nur kleine Abweichungen und Zufälle davor retten, den bequemen Weg zu gehen.

Im klassischen 5-Sterne System habe ich dem Buch vier gegeben, was vielleicht verwundert. Aber trotzdem alle meine Zweifel bestehen bleiben, sind sie erst beim späteren Nachdenken verstärkt in den Vordergrund getreten. Beim Lesen selbst konnte ich mich voll auf die Geschichte einlassen und  das Buch kaum aus der Hand legen. Ich hoffe aber bald Susan Tucker's "Telling Memories among Southern Women" habhaft zu werden - ein Buch mit 42 Interviews mit schwarzen und weißen Frauen, das auch Kathryn Stockett für ihr Werk gelesen hat.





Martin Luther King - "I have a dream" Speech - 28. August, 1963