Sonntag, 21. Juli 2013

Brideshead Revisited von Evelyn Waugh



Wiedersehen mit Brideshead...




Selten hat mich ein Buch so verwirrt zurück gelassen wie dieses. Ich habe es in einem Schwung mit großem Vergnügen und Schaudern gelesen, aber ich kann die Frage, worum es in der Geschichte nun eigentlich geht, nicht wirklich beantworten. Ich habe auch etwas halbherzig in den Weiten des Internet gestöbert und die meisten Interpretationen beziehen sich auf die Suche und Umgang mit dem (katholischen) Glauben oder es wird die vermeintlich homosexuelle Liebesgeschichte betont.
Das die christliche Gesinnung in der katholischen Spielart Dreh- und Angelpunkt ist, wird eigentlich durch Evelyn Waughn selbst bestätigt, hat er sich doch in diesem Sinn zu seinem Werk geäußert und schließlich ist er selbst zum Katholizismus konvertiert. Falls er aber ein positives Plädoyer schreiben wollte, dann ist das bei mir sehr daneben gegangen. Am ehesten sehe ich hier noch das Protrait einer Familie, die durch die lange Tradition und Erziehung im katholischen Glauben in Verbindung mit dem typisch erscheinenden Gebaren der adeligen Oberschicht, langsam aber sicher zerbricht und in sich erstarrt.



Das Buch erzählt die Geschichte der adeligen Familie Marchmain aus den Augen des Erzählers Charles Ryder, über den man, obwohl Hauptprotagonist, hauptsächlich etwas in Verbindung mit den Marchmains erfährt.
Charles lernt den jüngeren Sohn der Familie - Lord Sebastian Flyte- in seinem ersten Jahr an der Universität in Oxford kennen und verbringt mit ihm und seinen exzentrischen Freunden eine wundervolle Zeit. Er liebt Sebastian (ob platonisch oder nicht sei hier dahin gestellt), wundert sich aber immer darüber, dass er  kaum etwas über seine Familie erzählt und auch ganz offensichtlich versucht jeglichen Kontakt zu vermeiden. Von großer Bedeutung ist, dass Sebastians Familie katholisch ist und sich Lord Marchmain von seiner Frau getrennt hat und mit seiner Geliebten in Italien lebt. Lady Marchmain wiederum scheint eine Art Heilige zu sein, die mit großem Einfluß und Unfehlbarkeit über ihre Familie wacht.

'Yes, but it's all the bother - mummy and Bridey and all the family and the dons. I'd sooner go to prison. If I just slip away abroad they can't get me back, can they? That's what people do when the police are after them. I know mummy will make it seem she has to bear the whole brunt of the business.'
(Sebastian zu Charles, nachdem sie nach einer Sauftour, betrunken mit Prostituierten von der Polizei aufgegriffen wurden) 

Charles lernt dann doch Sebastians Familie kennen und kann sich vor allem der Mutter nicht entziehen. Währendessen entgleitet Sebastian aber immer mehr und ergibt sich ganz seinem schon früher angedeuteten Alkoholismus, der sich nun nicht mehr verbergen lässt. Lady Marchmain entwirft einen Plan, wie Sebastian wieder unter Kontrolle zu bekommen ist und will dabei auch Charles Hilfe, die er ihr aber verweigert. Es kommt zum unweigerlichem Bruch mit Sebastian und seiner Familie.

Nachdem Charles sich als Architekturmaler etabliert hat, heiratet er und bekommt zwei Kinder. Nach einem längeren Forschungsaufenthalt, tritt er mit seiner Frau (die extra angereist ist) die Schifffahrt nach Europa an. Auf demselben Schiff befindet sich auch Julia, Sebastians Schwester, die sich in Trennung von ihrem Ehemann befindet. Ein Sturm bringt die beiden näher zusammen und sie verlieben sich ineinander. Beide wollen sich scheiden lassen um dann einander zu heiraten. Nachdem aber Lord Marchmain aufgrund schwerer Krankheit nach England zurückkehrt und am Totenbett wieder zu seinem katholischen Glauben findet, wird auch Julia in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Sie fühlt sich von ihrem Glauben bestimmt und denkt nicht, dass sie ein Leben als wiederverheiratete Geschiedene führen kann und verlässt Charles.
Das Schicksal vom familiären Glauben nicht loszukommen scheint der ganzen Familie bestimmt zu sein: Sebsastian, durch seine Trunksucht im Sterben liegend, hat Zuflucht in einem Kloster gefundenen und die jüngere Schwester geht vollkommen in der Ausübung christlicher Nächstenliebe auf. Das Buch beginnt und endet im Frühjahr 1943 (oder 1944) - Charles ist bei der Armee beschäftigt und findet sich plötzlich am Familiensitz der Marchmain - Brideshead - wieder, welches für militärische Zwecke genützt wird. Zum Abschluss besucht er die dazugehörige Kapelle um dort zu beten.

'There was one part of the house I had not yet visited, and I went there now. The chapel showed no ill effects of its long negelects; the art-nouveau paint was as fresh and bright as ever; the art-nouveau lamp burned once more before the altar. I said a prayer, an ancient, newly-learned form of words, and left, turning towards the camp...'

Wie bereits angeprochen, fällt es mir schwer hier das große Thema anzusprechen. Der Roman hat bei mir hauptsächlich ein Gefühl ausgelöst beziehungsweise hinterlassen, welches ich nicht richtig benennen kann. Anstatt hier also ein Großes und Ganzes zu präsentieren, kann ich  nur mit Einzelteilen aufwarten, die vielleicht keine Summe ergeben.

Zu allererst: es ist streckenweise ein sehr lustiges Buch, speziell am Anfang. Die ersten Begegnungen zwischen Sebastian und Charles sind exzentrisch und komisch. Die Unterhaltungen zwischen Charles und seinem Vater (als Charles eher unfreiwillig in den Ferien etwas Zeit bei ihm verbringt) haben mich laut zum Lachen gebraucht.
Charles selbst hat mich immer mehr kalt gelassen, was aber auch irgendwie mit seiner Entwicklung korespondiert. Ich mochte Charles zu Beginn aufgrund seiner großen Zuneigung zu Sebastian. Er wollte Zeit mit ihm verbringen und Teil seines Lebens sein. Er war verletzt, wenn Sebastian ihn ausschloß. Das ließ Charles selbst liebenswerter sein. Im Lauf der Geschichte, nachdem Sebastian die Bühne verlassen hatte, war Charles aber eigentlich immer kühler ohne Bezug zu einer anderen Person. Auch seine Liebe zu Julia wirkte nicht so intensiv wie die zu Sebastian (auch wenn er beide immer wieder miteinander vergleicht).
Die Gefühlskälte in diesem Roman war für mich überhaupt sagenhaft. Sebastian ist zum Beispiel eine Figur für die ich die ganze Zeit stark mitgefühlt habe. An irgendetwas zerbricht dieses aristokratische Geschöpf, sei es an seinem katholischen Glauben oder seiner Familie oder an beidem zusammen. Seine Flucht in den Alkohol wird von seiner Familie erst als ein Problem anerkannt, als es zu "Peinlichkeiten" kommt. Sebastian muss irgendwie unter Kontrolle bekommen werden und dafür wird ein Babysitter engagiert, der auf ihn aufpassen soll. Damit hat man das Ganze dann erledigt. Die Distanziertheit und das egoistische Interesse, das einem da in den Dialogen entgegenschlägt ist eines der großartigsten und widerlichsten Dinge, die ich je gelesen habe.
Deswegen verstehe ich das katholische Thema des Romans nicht. Es ist anzunehmen, dass Evelyn Waugh aufgrund seines persönlichen Bekenntnis, ein postives Bild dieser Glaubenspielart darstellen wollte. Aber die Religion wirkt hier nicht wie eine Stütze, sondern wie eine Art Auflage, die erfüllt werden muss und man versucht sich zu befreien, kämpft dagegen an, kehrt aber am Schluß wieder in den Mutterschoß der katholischen Kirche zurück - weil man ist, was man ist. Deswegen wird nicht unebdingt das eigene Leben schöner oder man selbst zum besseren Menschen, aber die Regeln müssen befolgt werden. Es ist etwas für Außentehende Unbegreifliches, ein Kodex, dem man sich fügen muss.

Trotz all dieser Fragezeichen und Leerstellen war "Brideshead Revisited" ein großartiges Buch. Warum genau, weiß ich leider nicht.



Evelyn Waugh, Brideshead Revisited, erstmals 1945 erschienen












































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